Unsere Konzeption

  • Gewalt gegen Kinder ist kein gesellschaftliches Tabuthema mehr. Das ist ein großer Fortschritt, bedeutet aber in der Konsequenz auch, dass wir eine adäquate Antwort darauf geben und etwas tun müssen. Denn die betroffenen Kinder bekommen noch zu selten die angemessene und notwendige Hilfe und Unterstützung.

    Studien gehen davon aus, dass jedes achte bis zehnte Kind von erheblicher Gewalterfahrung betroffen ist. Neben der Bekämpfung der multiplen Risikofaktoren und konkreten Ursachen der Spirale der Gewalt (z. B. eigene, unbearbeitete Gewalterfahrungen in den elterlichen Biographien, psychische Erkrankungen der Eltern, soziale und wirtschaftliche Notlagen) geht es um die Diagnostik und die (Weiter-) Entwicklung adäquater Hilfen.

    Kinder, die Opfer von sexueller, emotionaler und körperlicher Gewalt oder von Vernachlässigung geworden sind, machen sich aus vielerlei Gründen häufig zunächst nicht oder nur indirekt bemerkbar, werden oft zu spät erkannt und finden dadurch wenig Unterstützung und Abhilfe in ihrem Leid. Fehlt rasche Hilfe, werden sie auffällig, entwickeln Symptome oder werden sogar schwerwiegend psychisch krank. Sie kommen spät und oftmals rein aufgrund ihrer Symptome in Kontakt mit der Jugendhilfe oder dem Gesundheitssystem. Die Ursachen ihrer Probleme sind nicht immer offensichtlich, sodass die angebotenen Hilfen nicht spezifisch genug sind oder sogar an der eigentlichen Ursache vorbei arbeiten.

  • Wir befassen uns mit allen denkbaren Formen von Kindeswohlgefährdung, d.h. dem folgenreichen Syndrom von Vernachlässigung und Deprivation, psychischer, physischer und/oder sexueller Gewalt sowie weiteren (Sonder-) Formen. Die Kinder in ihrer Abhängigkeit von den jeweiligen Persönlichkeiten und Affektmustern ihrer Kernbezugspersonen (primär die leiblichen oder sozialen Eltern, aber auch bei einer bereits vorab bestehenden Unterbringung ggf. die Bezugsbetreuer:innen) reagieren auf ihre individuelle Weise auf die erlebte Gewalt. Ihre zu Tage tretenden Störungsbilder sind Abbild ihrer Lebensgeschichte, ihrer psychischen Erfahrungen und Konflikte. Sie beinhalten auch die kindlichen Lösungswege, mit denen sie versuchen, den schwierigen, oft wechselnden äußeren und inneren Bedingungen Stand zu halten. In ihrem Anpassungsbemühen entwickeln sie Abwehrmechanismen und Symptome der verschiedensten Art. Das ermöglicht ihnen kurzfristig Entlastung und auch eine gewisse Kontrolle, langfristig wirkt es sich aber in der Regel zerstörerisch bzw. selbstzerstörerisch auf die kindliche Psyche aus.

    Unsere Erfahrungen zeigen in den letzten Jahren eine zusätzliche dysfunktionale Entwicklung dergestalt, dass die Kinder zum Anfrage- / Aufnahmezeitpunkt eine sowohl quantitativ wie auch qualitativ immer intensivere Symptomatik mitbringen.

    Unter dem Dach von KiD inklusive seines multimodalen diagnostischen Gesamtkonzepts mit spezifischen pädagogischen wie therapeutischen Anteilen können die Kinder ihre stummen und tosenden Affekte und Muster leben und zeigen, weil wir nur so verstehen und erkennen können, welche Not sich hinter ihrem Agieren, ihrer vielfältigen Symptomsprache verbirgt. Das kann mitunter eine für alle Beteiligten anstrengende, gewaltgeladene oder sexualisierte Atmosphäre mit sich bringen, die es fachkompetent zu steuern und zu begleiten gilt.

    In unserem fachlichen Verständnis liegt in der Krise eine essentielle Chance: Ein sich Einlassen und Einsteigen in die Welt traumatisierter Kinder ist unerlässlich, will man Heilungsvorgänge initiieren. Von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass sich die Kinder sowohl in ihrer Not und ihrem Schmerz als auch in ihrer spezifischen Beziehungsproblematik, ihren beziehungsdynamischen Verflechtungen und existentiellen Abhängigkeiten verstanden fühlen. Um den verhängnisvollen Kreislauf von Gewalterfahrungen zu durchbrechen, ist es erforderlich, dass die Kinder in ihrem Leid verstehend, d.h. auch entschlüsselnd, begleitet werden, damit sie nicht erneut allein bleiben mit ihrer Hilflosigkeit, Ohnmacht und ihrem Leid.

  • Die Basis unserer Arbeit ist die stationäre diagnostisch / therapeutische Krisengruppe mit ihrem Fünf-Säulen-Konzept. Innerhalb von etwa sechs Monaten verschaffen wir uns einen differenzierten Überblick über die Situation eines Kindes und seiner Familie. Konkret bedeutet dies, zu analysieren, welcher konkreten Form von Gewalt das Kind ausgesetzt war und mit welcher Dynamik und welche Auswirkungen und Folgen dies im Kind hinterlassen hat. Unsere Diagnostik schließt mit einer passgenauen Empfehlung für Folgemaßnahmen.

    Neben der Vermittlung in passende externe Anschlussmaßnahmen beinhaltet das KiD-Gesamtkonzept zusätzlich die Option einer internen Anschlussversorgung. In unserer soziotherapeutischen Wohngruppe können mehrfach traumatisierte und entwicklungsgeschädigte Kinder mittel- bis langfristig leben und groß werden, die zuvor die stationäre Diagnostikphase durchlaufen haben. Diese Maßnahme eignet sich vor allem für Kinder, die eher von Schichtdienst innerhalb eines kleinen Teams und von der Struktur einer Wohngruppe profitieren (mittlere Bindungsintensität, hohe Kontinuität, mittel- bis langfristige Perspektive).

    Optional steht auch ein Apartment zur Verfügung, in dem ein/e Jugendliche/r unter spezifischer Berücksichtigung seiner/ihrer Traumahistorie und der individuellen Dynamik schrittweise auf die Selbstständigkeit vorbereitet werden kann.

    Zusätzlich gehört eine Sozialpädagogische Lebensgemeinschaft (SPLG) zu KiD, in der Kinder im familienanalogen Rahmen betreut werden, die zuvor die stationäre Diagnostik durchlaufen haben.

  • Ziel der Arbeit bei KiD ist es, gewaltgeschädigten Kindern und ihren Familien ein differenziertes, auf ihre individuelle Lebens- und Leidensgeschichte ausgerichtetes diagnostisch / therapeutisches Hilfsangebot sowie ggf. Folgeangebote anzubieten.

    Ein Kind, dessen Leben aufgrund verschiedener Gewalterfahrungen in eine existenzielle Krise geraten ist und bei dem ambulante Angebote nicht ausreichend sind, benötigt zunächst fachspezifische Hilfe an einem vorübergehend extra-familialen Lebensort. Diesen Ort bietet die stationäre diagnostisch / therapeutische Krisengruppe. Im Zeitrahmen von ca. sechs Monaten wird eine umfassende, spezialisierte Diagnostik des Kindes und des Bezugssystems erstellt, unter Berücksichtigung des kindlichen Entwicklungszustands, seiner Symptome und Verhaltensauffälligkeiten, der bestehenden Problematik im Rahmen der Familie, inkl. transgenerationaler Dynamiken, sowie der Ressourcen. Hierzu nutzen wir unseren Fünf-Säulen-Ansatz, der Psychodiagnostik, Traumadiagnostik, begleitend-stabilisierende therapeutische Angebote, Anamnese / Elternarbeit sowie diagnostisches Vorgehen im pädagogischen Gruppenalltag vereint.

    Unsere differenzierten Diagnostikergebnisse münden nicht nur in einem ausführlichen Abschlussbericht, sondern bilden auch die Grundlage für die passgenaue Empfehlung, auf deren Basis das Jugendamt geeignete Nachfolgemaßnahmen suchen oder sich dabei von uns unterstützen lassen kann.